Die Führungsforschung hat sich enorm damit beschäftigt, welche Art von Führung und Führungsverhalten auf die bestmöglichsten Auswirkungen auf die Mitarbeiter hat. Besonders in den letzten Jahren geht das Augenmerk auch vermehrt dahin, die positive Wirkung von Führung zu erforschen. Hier hat sich sogar eine eigene wissenschaftliche Subdisziplin des Positiven Organisationalen Verhaltens (kurz POB) entwickelt. Hier sticht unter anderem die authentische Art der Führung hervor, da sie als Ressource für eine positive Entwicklung der Mitarbeiter zählt.
„Authentische Führung“ – Eine neue Art der Führung?
Das Konzept der authentischen Führung ist, im Vergleich zu anderen Führungs-Theorien, wie beispielsweise der transformationalen Führung, noch relativ neu. In den vergangenen Jahren hat das Thema Authentizität innerhalb von Führungsrollen ziemlich viel Aufmerksamkeit im Bereich der Führungsforschung erhalten, und sich als eigenständiges Konstrukt etabliert (z.B. Luthans & Avolio, 2003).
Ausgehend von Kernis (2003), welcher authentisches Verhalten als Verhalten in Übereinstimmung mit den eigenen Werten, Vorlieben und Bedürfnissen beschreibt und es weiterhin klar von Verhalten abgrenzt, welches nur darauf abzielt andere zufrieden zu stellen, oder Belohnung zu erhalten bzw. Bestrafung zu vermeiden, zeichnet sich Authentizität nicht durch zwanghafte Anstrengung sein wahres Selbst zu zeigen aus. Es ist vielmehr der freie und natürliche Ausdruck von Grundgefühlen, Motiven und Neigungen. Diese Definition von authentischem Verhalten hatte großen Einfluss auf die Entwicklung des Konzepts der Authentischen Führung (Ilies et al. 2005). Hieraus folgte die Annahme, dass authentische Führungskräfte ihr wahres Selbst präsentieren und ihr Verhalten in Übereinstimmung mit ihren persönlichen Werten und Überzeugungen steht.
Luthans, Norman und Hughes (2006) argumentieren, dass es sich bei authentischer Führung jedoch nicht um einen Führungsstil an sich handelt, sondern authentische Führung eher als Basiskonstrukt bzw. Fundament anzusehen ist. Deshalb ist authentische Führung auch Ausgangspunkt für weitere Führungsstile (z.B. transformationale Führung oder transaktionale Führung). Beispielsweise könne eine transformationale Führungskraft mehr oder weniger authentisch sein, eine authentische Führungskraft beschreibe jedoch alleine keine spezielle Art von Führungsstil (Avolio, & Gardner, 2005).
Authentische Führungskräfte zeigen Verhalten in Übereinstimmung mit Ihren Werten, Motiven und Überzeugungen
Aufbauend auf einem Konzept zur Authentischen Führung von Luthans und Avolio (2003) hat sich die Theorie zu diesem Konstrukt stetig weiter entwickelt ( z.b. Gardner, Avolio, Luthans et al., 2005, Ilies et al., 2005 ; Walumbwa et al., 2008). Authentische Führungskräfte können sich demnach offen zeigen und sind klar bezüglich ihrer Selbst und Ihrer eigenen Werte, Einstellungen und Motive. Sie sind in der Lage diese offen zulegen und zeigen Verhalten in Übereinstimmung mit Ihren Werten, Motiven und Überzeugungen (Walumbwa et al., 2008). Walumbwa und Kollegen defininiert authentische Führung als Muster von Verhalten, das auf Seiten der Führungskraft sowohl auf positive psychologische Fähigkeiten (Positive Psychological Capacities ) als auch auf einem positiven ethischen Klima basiert. Zudem trage es zu diesen beiden bei, um größere Selbsterkenntnis, eine internalisierte moralische Einstellung, eine ausgewogene Verarbeitung von Informationen und eine transparente Beziehungsgestaltung zu fördern, die es ermöglichen die positive authentische Entwicklung der Beschäftigten zu fördern. Aus dieser Definition ergeben sich auf der Verhaltensebene vier Komponenten authentischen Führungsverhaltens:
- Selbsterkenntnis,
- Ausgeglichene Informationsverarbeitung,
- Transparente Beziehungsgestaltung und
- Moralische Werthaltung
Unter Selbsterkenntnis (Self-Awareness) wird verstanden, dass die Führungskraft sich ihrer eigenen Werte, Intentionen, Stärken und Schwächen sowie ihrer Fremdwahrnehmung bewusst ist. Die Führungskraft holt sich zudem aktiv von Dritten Feedback zu ihrer eigenen Person ein. Ausgeglichene Informationsverarbeitung (Balanced Processing) meint, dass die Führungskraft unterschiedliche Informationsquellen für berücksichtigt, diese für ihre Entscheidungsfindung unvoreingenommen analysiert und reflektiert. Die Führungskraft bezieht auch Quellen ein, die ihren eigenen Einstellungen und Werten widersprechen. Die Komponente Transparente Beziehungsgestaltung (Relational Trancparency) zielt darauf ab, dass die Führungskraft offen und ehrlich im Umgang mit Ihren Mitmenschen agiert und so ihre eigenen Ansichten, Absichten, Gedanken und Gefühle offenlegt. Der Aspekt der Moralischen Werthaltung (Moral Perspective) umfasst die internalisierten moralischen Werte, an denen die Führungskraft sich orientiert und welche konsistent mit ihrem gezeigten Verhalten sind.
Authentische Führungskräfte dienen im Grunde als Rollenmodelle, welche mit Integrität und Fairness handeln (Avolio et al., 2004). So postulieren Empirische Befunde zur authentischen Führung sowohl Zusammenhänge zu Erfolgskriterien auf Einstellungsebene (z.B. Laschinger, Wong, & Grau, 2013) als auch zu Kriterien auf Verhaltensebene der untergebenen Mitarbeiter (z.b. Hannah, Walumbwa, & Fry, 2011a).
Das Modell der authentischen Führung schlägt vor, dass Einstellungen und Verhalten von Beschäftigten, neben anderen Kontextfaktoren, vor allem dadurch beeinflusst werden, dass die Führungskraft eine Identifikation mit ihr ermöglicht, und zu Hoffnung, positiven Emotionen, Vertrauen und Optimismus beiträgt (Avolio, Gardner, Walumbwa, Luthans, & May,2004). Weiterhin schlagen Forscher vor, dass die Authentizität der Führungskraft sich in der Authentizität der Mitarbeiter wiederspiegelt, was zur Entstehung von Vertrauen, Engagement und zur Steigerung des Wohlbefindens beiträgt (Gardner, Avolio, Luthans, May, & Walumbwa, 2005).