Multitasking im Büro, geht das wirklich?

Als AssistentIn oder SekretärIn sind wir im Büro eigentlich immer erreichbar, ob per Email, per Telefon oder per Handy. Das hat uns, als MitarbeiterInnen im Sekretariat und Assistenzbereich, zu richtigen Multitasking-Monstern gemacht. Beim Telefonat noch eben schnell die eingehende Email auf Wichtigkeit überprüfen, oder bei einer umfangreichen Berechnung kurz ans Telefon gehen, diese Situationen kennt sicherlich Jede/r . Es ist einfach unausweichlich geworden auf Multitasking zurück zu greifen, da das hohe Arbeitspensum und die Fülle an Aufgaben dies einfach erforderlich machen…. Sonst würden wir unsere Arbeit doch gar nicht schaffen, oder? Wenn wir nicht vieles gleichzeitig im Blick hätten…

Aber ist der Mensch überhaupt in der Lage seine Aufmerksamkeit auf mehreres gleichzeitig aufzuteilen? Oder macht man dann zwar viel mehr, aber nichts mehr so richtig?

Das Institut für Arbeits- und Organisationspsychologie in Leipzig hat sich mit dieser Frage beschäftigt und in Ihrem Projekt „Arbeitsunterbrechungen und Multitasking in informationsintensiven Berufen“ einiges Interessantes herausgefunden, was ich Euch gerne hier versuche auf den Punkt zu bringen:

Die Wahrheit über Multitasking:

Aus gesundheitlicher, motivationaler Perspektive und bezüglich der Produktivität ist es ganz klar das Beste:

Bei einer Aufgabe, die wir gerade ausführen – erst überhaupt nicht unterbrochen zu werden!

Die Arbeitswissenschaft beschäftigt sich schon lange mit der Thematik und aus arbeitswissenschaftlicher Sicht, werden Arbeitsunterbrechungen und Multitasking als „psychische Belastung“ eingestuft. Diese psychische Belastungen an sich sind aber nicht zwangsläufig etwas negatives. Denn erstens, gehören sie einfach zu unserem Arbeitsalltag dazu und zweitens, können wir sie in den meisten Fällen ganz gut bewältigen. Wir müssen nur genügend Ressourcen zur Bewältigung zur Verfügung haben, dann ist die individuelle Bewältigung kein Problem. Es wird nämlich erst dann zum Problem, wenn die eigenen Ressourcen und Möglichkeiten nicht ausreichen. Denn wenn unsere Ressourcen bzw. Kräfte aufgebraucht sind, dann fühlen wir uns den Arbeitsanforderungen nicht mehr gewachsen – wir fühlen uns überfordert. Erst in diesem Fall spricht man von einer Fehlbelastung der Psyche. Dann kann uns die Belastung sogar krank machen.

Wir können uns nicht auf Alles konzentrieren!

Wenn wir gerade einer simplen, eintönigen oder langweiligen Beschäftigung nachgehen, werden wir eine Arbeitsunterbrechung eher als positiv bewerten. In solchen Fällen würden wir uns eventuell sogar über eine Störung durch Andere freuen, weil es ein wenig Abwechslung in die Arbeit bringt.

Sind wir aber gerade bei einer anspruchsvolle Tätigkeit ausführen empfinden wir Unterbrechungen eher als nervend und störend. Besonders in diesen Fällen werden häufige Unterbrechungen zur Belastung, weil die aktuelle Tätigkeit große Konzertation erfordert.

Auf lange Sicht leidet nicht nur die Stimmung darunter, sondern das hat auch gesundheitliche Folgen für Geist & Körper.

Doch wie kommt es, dass wir einiges mit Leichtigkeit gleichzeitig tun können und anderes für uns so anstrengend wird?

Den Unterschied macht unser Gehirn…

denn Grundsätzlich lässt sich sagen, wenn wir etwas richtig gut beherrschen, sodass eine Tätigkeit von uns ohne Mühe und ganz automatisch getan wird, ohne dass wir bewusst darüber nachdenken müssen, dann können wir auch anderes gleichzeitig tun. Beispielsweise, können wir ohne Probleme spazierengehen und uns gleichzeitig dabei unterhalten, ohne dass sich diese Tätigkeiten irgendwie beeinflussen. In so einem Fall ist Multitasking kein Problem. Denn sowohl spazierengehen als auch eine Unterhaltung zu führen sind stark automatisierte Tätigkeiten. Doch wie schaut es jetzt aus, wenn wir z.B. im Büro telefonieren und gleichzeitig in unseren Unterlagen etwas lesen wollen? Das wird sehr wahrscheinlich nicht so einfach funktionieren. Diese Tätigkeiten stören sich gegenseitig. Dieses Stören nennt man in der Psychologie „interferieren“.

 

Warum Multitasking nicht funktioniert:

Warum nun manche Tätigkeiten miteinander interferieren und andere uns ganz leicht gemeinsam von der Hand gehen, hat verschiedene Gründe. Wenn die Aufgaben, die wir ausführen, sich sehr ähnlich sind, wird es für uns schwierig sie simultan zu bearbeiten. Man kann sich das so vorstellen, dass immer dann, wenn die gleichen Ressourcen in unserem Gehirn benutzt werden sollen, wird es nicht mehr möglich beides oder mehreres gleichzeitig zu bearbeiten.

Multitasking Handy Autofahren Psychologie

Beim Autofahren telefonieren-ein klassischer Fall von Multitasking

Zum Beispiel fällt es uns einfach eine Kopfrechenaufgabe zu lösen und gleichzeitig Musik zu hören, wenn uns jedoch beim Kopfrechnen Zahle zugerufen werden, schaffen wir es nicht mehr zu rechnen und kommen schneller durcheinander. Wie bereits geschrieben ist der Grad der Automatisierung auch noch entscheidend, denn je besser wir etwas können, desto größer sind die Chancen, dass wir gleichzeitig auch anderes machen können. Als letztes möchte ich noch die Aufgabenschwierigkeit nennen: Üben wir eine Tätigkeit aus, die starke Konzentration erfordert, ist es leider auch nicht mehr so einfach um das Multitasking bestellt. Stecken wir quasi unsere gesamten Denkprozesse in eine Aufgabe, bleibt nur noch wenig Kapazität übrig um anderweitig etwas gleichzeitig zu tun.

Und jetzt nehmen wir mal an, wir sind uns dessen bewusst, dass Multitasking nicht immer funktioniert und dass es ziemlich wichtig ist, komplexe und schwierige Aufgaben nacheinander statt gleichzeitig zu erledigen. Dann würden wir unseren Arbeitsalltag doch einfach danach richten, oder?! Dann haben wir aber noch eine Winzigkeit vergessen….. In der Praxis liegt es nicht nur an uns selbst, ob wir „multi-tasken“… auch unsere Arbeit und unser Umfeld zwingt uns zum Multitasking. Stellen wir uns doch folgendes Szenario vor: Eine Mitarbeiterin sitzt am Empfang und macht gerade einen Termin mit einem Kunden aus, der gerade am Empfang steht. In diesem Moment klingelt es an der Tür und ein weiterer Besucher bittet darum, dass man ihn hereinlässt. Und zusätzlich läutet gerade das Telefon, und schon auf dem Display erkennt sie, dass es Jemand aus der Geschäftsführung ist.
Wie wird sie sich wohl fühlen? Auch wenn sie es sich nicht ausgesucht hat, sie muss einiges gleichzeitig wahrnehmen, sich überlegen wie sie vorgeht und reagieren. Es wird einiges an Aufwand von Nöten sein, das alles zu koordinieren und zwischen diesen einzelnen Aufgaben hin und her zu switchen. Die Folge ist sicherlich, dass die Mitarbeiterin sich gestresst fühlt.

Wenn wir in unserem Arbeitsalltag ab und an solche Momente erleben, kann das durchaus herausfordernd oder sogar motivierend wirken. Die Arbeit ist eventuell weniger langweilig als sonst. Doch wenn wir oft unter solchen Bedingungen arbeiten müssen, stellt sich schnell ein Gefühl der Überforderung ein. Machen wir so viel gleichzeitig, bleibt einiges liegen und wir machen Fehler, das ist einfach unbefriedigend und zerrt an unseren Kräften. Hier kommen wir irgendwann an einen Punkt, an dem dieser Stress uns krank macht: Wir sind unruhig, wir können nicht mehr schlafen, unser Körper fühlt sich angespannt etc.

Was wir bei Multitasking im Büro beachten sollten:

Wenn uns bewusst ist, was Multitasking ist und wie genau es funktioniert, dann können wir unseren Fokus auch darauf setzen, wie wir Belastungen, die durch Multitasking entstehen verringern oder ganz verhindern können.

Sobald wir bei unserer Arbeit darauf achten, welche Tätigkeiten wir gleichzeitig ausführen und wie belastet wir uns dabei fühlen, wird uns schnell klar, welche Veränderungen an unserer Arbeitsweise für uns hilfreich sind.

Strategien, die Forscher empfehlen: 

Einen Überblick schaffen, über den individuellen Umgang mit Multitasking:

Sich selbst fragen stellen, z.B. In welchen Situationen ist Multitasking bislang gut gelungen? Was war hilfreich? Was war weniger hilfreich? Was habe ich konkret getan? Welche Strategien haben bei mir bisher gut funktioniert? Wenn ich in bestimmten Situationen Schwierigkeiten hatte: Welches alternative Verhalten könnte ich mir vorstellen, um mir den Umgang mit Multitasking zu erleichtern?
Forscher berichten, dass wir durch dieses Bewusstmachen wieder zur Wahl- und Entscheidungsfreiheit gelangen, weil wir es selbst in der Hand haben, wie wir in Zukunft mit Multitasking umgehen wollen. Ziel sollte immer sein, aus der Passivität in eine gewisse Aktivität zu kommen!

Bewusst entscheiden:

Wenn wir bei unserer Arbeit unterbrochen werden, neigen wir oft dazu, der Unterbrechung den Vorrang zu geben, oder auf Multitasking zurück zu greifen und mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bearbeiten. Aber was wäre eine Alternative dazu?

Möglichkeiten erkennen:

Psychologen schlagen folgende grundsätzliche Möglichkeiten vor, wie wir auf Unterbrechungen reagieren können:

  • Sofortige Bearbeitung
  • Verzögerte Bearbeitung
  • Gleichzeitige Bearbeitung

Auch unter Zeitdruck stehen uns in der Regel diese Möglichkeiten immer zur Auswahl zur Verfügung.

Sofortige Bearbeitung:

Notfälle, oder Krisensituationen sind selbstverständlich immer vorrangig zu bearbeiten. Wenn nicht aufgeschoben werden kann, ist der Nachteil jedoch, dass wir viel schwerer zur alten Aufgabe zurückkehren können. Manchmal werden sogar einige Dinge der vorherigen Aufgabe vergessen.  Wenn wir also bei etwas unterbrochen werden und der Unterbrechungsgrund nicht aufgeschoben werden kann, so kann es helfen, wenn wir dass was wir nicht vergessen möchten gedanklich immer wieder wiederholen. Das hilft uns wichtiges nicht zu vergessen. Da das je nach Tätigkeit ziemlich anstrengend ist, sollten wir eventuell noch eine andere Möglichkeit nutzen.  Wenn wir unterbrochen werden und wir nichts wichtiges vergessen möchten, hilft ein kleiner Notizzettel.  Der Notizzettel sollte natürlich nicht zu lang werden, aber auch nicht zu kurz, am besten so knapp wie möglich aber so ausführlich wie notwendig um genau zu wissen was damit gemeint war.

Verzögerte Bearbeitung:

In den meisten Fällen müssen wir nicht alles gleichzeitig bearbeiten, Wenn wir es schaffen Prioritäten zu setzen können wir unsere Aufgaben auch nacheinander bearbeiten, das ist viel weniger anstrengend und zusätzlich werden wir dadurch motiviert, dass wir Erfolgserlebnisse sammeln, da wir Aufgaben komplett erledigen können, bevor wir mit der nächsten beginnen.

Gleichzeitige Bearbeitung:

Wenn wirklich notwendig ist mehrere Dinge gleichzeitig zu machen, dann ist es wichtig Ruhe zu bewahren! Denn je hektischer wir sind, desto mehr Fehler machen wir und umso belasteter fühlen wir uns.

Was wir nicht vergessen sollten:

Werden wir auf der Arbeit oft mit stressigen Situationen konfrontiert, dadurch dass wir mehreres gleichzeitig machen müssen oder oft zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her wechseln müssen, greifen wir vermehrt auf unsere Ressourcen zurück. Wir dürfen nicht vergessen, uns zwischendurch eine kleine Verschnaufpause zu gönnen, damit wir entspannt weiter arbeiten können. Hilfreich sind auch kurze Entspannungstechniken wie z.B. Progressive Muskelentspannung. Diese können leicht eingesetzt werden und helfen uns wieder aufzutanken.

TED Video: Arbeitsgedächtnis & Multitasking

Noch ein paar Fakten: 

Multitasking erhöht das Unfallrisiko. Bei komplexen Tätigkeiten und somit hohen Anforderungen können wir uns nur auf eine Sache „richtig“ konzentrieren. Beim Autofahren noch schnell was ins Handy tippen um eine wichtige Information an den Chef zu geben, ist also keine überragende Idee. Studien zufolge ist beispielsweise die Reaktionszeit eines Autofahrers, der gerade sein Handy bedient, genauso beeinträchtigt, als würde er mit 0,8 Promille fahren.

Das Gehirn ist um 20% bis 40% weniger leistungsfähig, wenn gleichzeitig statt nacheinender gearbeitet wird. Das haben Forscher der Universität Michigan herausgefunden.

(Ein großes Projekt zu Multitasking wurde von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin initiiert, für diejenigen, die weitere Details erfahren möchten)

Wie schaut es bei Dir aus? Was sind Deine Erfahrungen mit Multitasking? Hinterlasse mir Deinen Kommentar…

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Über die Autorin

Ekram Bsiri (Office-Coach)

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Ekram Bsiri unterstützt mit Ihrer Glücksstrategie Menschen darin herauszufinden wie sie sich selbst glücklich und zufrieden machen können, damit sie ein erfülltes, glückliches und sinnvolles Leben führen können, ohne weiterhin orientierungslos auf der Suche zu sein. In speziellen Weiterbildungsangeboten & Coachings zu psychologischen Themen widmet sie ihre Arbeit der wissenschaftlich fundierten Psychologie, mit der Vision: Verlässliches & Kreatives zu verbinden. Was sie mag: Freiheit, Struktur, E-learning, neue Wege, Kreativität, Humor Was sie nicht mag: Struktur 🙂 , Lieblosigkeit, süßen Kaffee

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Multitasking im Büro, geht das wirklich? was last modified: August 17th, 2016 by Ekram Bsiri (Office-Coach)

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